DeutschPflege und Health professionals
Der neue Doenges ist Ende Juni in vollständig überarbeiteter und erweiterter Auflage mit 1848 Seiten Umfang erschienen. Das Praxishandbuch „Pflegediagnosen und Pflegemaßnahmen“ ist somit das umfassendste Fachbuch über Pflegediagnosen, -diagnostik und den Pflegeprozess. Das erfolgreiche Praxishandbuch hilft Pflegenden, Merkmale und Ursachen von Pflegediagnosen zu erkennen, Daten des Pflegeassessments zu ordnen und Pflegediagnosen mit einheitlichen Begriffen zu benennen. Es beschreibt klientenbezogene Pflegeziele, begründete Pflegemaßnahmen und gibt Hinweise zur Patientenedukation und Entlassungsplanung.
Die NANDA-I-Pflegediagnosen
Die siebte, vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage bietet alle 267 Pflegediagnosen der NANDA-I-Klassifikation (2021-2023), inklusive 38 neuen Pflegediagnosen und 172 diagnostischen Kernkonzepten, die inhaltlichen Schwerpunktthemen der Pflegediagnosen zusammenfassen. Die 38 neuen oder vollständig überarbeiteten NANDA-I-Pflegediagnosen (Doenges et al., 2024; Herdman et al., 2022) lauten wie folgt:
Gestörte Denkprozesse
Druckschädigung bei einem Erwachsenen
Risiko einer Druckschädigung bei einem Erwachsenen
Druckschädigung bei einem Kind
Risiko einer Druckschädigung bei einem Kind
Druckschädigung bei einem Säugling
Risiko einer Druckschädigung bei einem Säugling
Bereitschaft für ein verbessertes Engagement für physische Bewegung
Syndrom einer gestörten Familienidentität
Risiko für ein Syndrom einer gestörten Familienidentität
Ineffektives Gesundheits-Selbstmanagement
Bereitschaft für ein verbessertes Gesundheits-Selbstmanagement
Ineffektives Gesundheits-Selbstmanagement der Familie
Mischharninkontinenz
Neonatale Hypothermie
Risiko einer neonatalen Hypothermie
Behinderungsassoziierte Inkontinenz
Risiko einer beeinträchtigten kardiovaskulären Funktion
Verzögerte motorische Entwicklung des Säuglings
Risiko einer verzögerten motorischen Entwicklung des Säuglings
Ineffektive Saug-Schluck-Reaktion des Säuglings
Ineffektives Selbstmanagement einer Augentrockenheit
Ineffektives Selbstmanagement eines Lymphödems
Risiko eines ineffektiven Selbstmanagements eines Lymphödems
Risiko eines Sturzes bei Erwachsenen
Risiko eines Sturzes bei Kindern
Risiko einer Thrombose
Fehlangepasstes Trauern
Risiko eines fehlangepassten Trauerns
Bereitschaft für ein verbessertes Trauern
Ineffektive Verhaltensweisen bei der Haushaltsführung
Risiko ineffektiver Verhaltensweisen bei der Haushaltsführung
Bereitschaft für verbesserte Verhaltensweisen bei der Haushaltsführung
Ineffektive Verhaltensweisen zur Erhaltung der Gesundheit
Verletzung des Mamillen-Areola-Komplexes
Risiko einer Verletzung des Mamillen-Areola-Komplexes
Dysfunktionales Weaning bei Erwachsenen
Risiko eines Weglaufversuchs.
Die neuen oder überarbeiteten Pflegediagnosen beschreiben u.a. beeinträchtigte kognitive Prozesse des Denkens und der Informationsverarbeitung. Der vertraute Begriff des Dekubitus wird neu als «Druckschädigung» übersetzt und über die Lebensspanne differenziert für Säuglinge, Kinder und Erwachsene beschrieben.
Die Fähigkeit gesundheitsfördernde oder -erhaltende Maßnahmen in den Alltag zu integrieren, wird sowohl für Individuen als auch für Familien unterschieden. Neu wird sie als «Gesundheits-Selbstmanagement» bezeichnet und löst den früheren Begriff des Therapiemanagements ab. Konkretisiert wird dies anhand der Pflegediagnosen eines ineffektiven Selbstmanagements eines Lymphödems oder einer Augentrockenheit. Zukünftig ist mit weiteren Diagnosen zum ineffektiven Gesundheits-Selbstmanagement zu rechnen, z.B. bezüglich Schlaf- und Schmerzmanagement.
Die Vielzahl an Pflegediagnosen zur Harnkontinenz wird mit den Begriffen der Mischharninkontinenz sowie der behinderungsassoziierten Inkontinenz gebündelt. Für Säuglinge und Kinder werden die Phänomene der Hypothermie, motorischen Entwicklung und Saug-Schluck-Reaktion in überarbeiteter Form beschrieben. Für das Risiko eines Sturzes werden neu die Risikofaktoren für Kinder und Erwachsene unterschieden.
Für Diskussionen wird die veränderte Qualifizierung von Trauerreaktion als «fehlangepasst» anstelle von «erschwertem» Trauern führen.
In der ambulanten Pflege stehen zur Differenzierung indirekter Selbstversorgungsfähigkeiten, wie Einkaufen, Telefonieren, Waschen, Bügeln, Nahrungszubereitung, zukünftig die Pflegediagnosen der «instrumentellen Selbstversorgung» und der (ineffektiven) «Verhaltensweisen bei der Haushaltsführung» zur Verfügung.
Im Jahr 2024 hat nun auch die NANDA-Liste eine Pflegediagnose zur Benennung von Thrombosegefahren mit dem «Risiko einer Thrombose». Last but not least hat sich zur problembezogenen Pflegediagnose des «Ruhelosen Umhergehens» auch das «Risiko eines Weglaufversuches gesellt.
Zusätzliche Pflegediagnosen
Wie schon in den Vorauflage enthält auch die siebte Auflage klinisch nützliche Pflegediagnosen, die sich nicht in der offiziellen NANDA-I-Klassifikation finden. Dabei handelt es sich um menschliche Reaktionen auf vorhandene oder potenzielle Gesundheitsprobleme oder Lebensprozesse, die pflegerisch erkennbar, benennbar und behandelbar sind. Diese werden von den deutschen Herausgebenden zur Anwendung und wissenschaftlichen Validierung empfohlen. Dazu gehören die Pflegediagnosen Intertrigo, Risiko einer Intertrigo, Risiko einer Mangelernährung, Pruritus, Schlaf-Wach-Rhythmus-Umkehr und Instrumentelles Selbstversorgungsdefizit (IADL). Neu entwickelt und hinzu gekommen sind die Pflegediagnosen:
- Selbstversorgungsdefizit Mund- und Zahnpflege
- Allmähliche Ortsfixiertheit, die auf den Studien von Angelika Zegelin (2024) zur „Bettlägerigkeit“ basiert
- Neurobehaviorales Stresssyndrom, welches Einflussfaktoren, Merkmale und Pflegediagnosen bündelt, die herausforderndes Verhalten bei Menschen mit Demenz erklären und beschreiben
- Übermäßige Vokalisation, die das herausfordernde Verhalten des „Schreiens und Rufens“ bei Menschen mit Demenz erklärt und beschreibt und auf Studien von Urselmann und Georg (2021) fußt.
Weitere Neuerungen: Neuübersetzung, mehr Humor, Visualisierungen, Listen und vieles mehr
Weitere Bearbeitungsschritte, die in dieser siebten Auflage vorgenommen wurden, waren, die neue Doenges-Übersetzung auf Basis der umfangreicheren und besser referenzierten 7. US-Auflage des „Nursing Diagnosis Manuals“ auszuführen. Die aktuellen NANDA-I-Pflegediagnosen der Klassifikation 2021‒2023 wurde in den erweiterten Datenbestand von Doenges übertragen. Die bestehenden Pflegediagnosentitel, Definitionen, Einflussfaktoren und Symptome wurden aktualisiert, überarbeitet und um Risikopopulationen und assoziierte Bedingungen ergänzt. Die Risikopopulationen und assoziierte Bedingungen stellen ebenfalls Einflussfaktoren dar, die im Gegensatz zu diesen nicht direkt pflegerisch beeinflussbar und modifizierbar sind.
Weiterführende Literaturangaben zu neuen und alten Pflegediagnosen wurden aktualisiert und deutlich erweitert. Die einführenden Kapitel 1-5 enthalten erweiterte Texte, die klären, was Pflegediagnosen sind, warum sie wichtig sind, wie man sie erkennt, einführt und dokumentiert. Sie führen in den 6-Schritte-Pflegeprozess ein, mit detaillierten Angaben zu Pflegeassessment, -diagnosen, -zielen, -plan, -maßnahmen und -evaluation. Die Pflegeziele und begründete Pflegemaßnahmen wurden erweitert und mit zusätzlichen Anmerkungen versehen. Die Pflegeergebnisse der Pflegeergebnisklassifikation (NOC) und die Pflegeinterventionen der Pflegeinterventionsklassifikation (NIC) wurden aktualisiert und erweitert.
Die humoristische Aufarbeitung des Themas Pflegediagnosen wurde im Kapitel zur „Pati-ENTEN-Edukation“ weiter betrieben und neue Entendiagnosen wurden zu Wasser gelassen.
Die alternative Form der visualisierten Fallanalyse und -dokumentation mit Concept Mapping und Concept Maps wurde ausführlicher beschrieben und anschaulicher illustriert. Der Advanced Care Planning Prozess oder der Advanced Nursing Process zeigen, wie Pflegeklassifikationen für Pflegediagnosen (NANDA-I), Pflegeinterventionen (NIC) und Pflegeergebnisse (NOC) verknüpft und in den Pflegeprozess integriert werden können. Das OPT-Entscheidungsfindungsmodell erklärt, wie man Pflegeprozess, Concept-Mapping, Theorieanwendung und kritisch-reflexives Denken miteinander verbinden kann und inspiriert dazu, den Pflegeprozess neu zu denken und weiterzuentwickeln. Das Glossar wurde um neue Begriffe erweitert und überarbeitet.
In Kapitel 7 helfen diverse Listen, einzelne Pflegediagnosen leichter aufzufinden. Sie ordnen zum einen die Pflegediagnosen den gebräuchlichsten Pflegemodellen, wie ABEDL, ATL, RAI_HC und BESA zu. Zum anderen listen sie 712 Krankheitsbilder und Behandlungssituationen auf, denen mögliche Pflegediagnosen im PES-Format zugeordnet werden. Mit den neuen Hinweisen für „exemplarische praktischen Anwendungen“ verweisen die Autorinnen auf Praxissituation in Verbindung mit denen die beschriebenen Pflegediagnosen häufiger auftreten können. Eine Orientierungshilfe mit häufig gestellten Fragen erleichtert es wichtige Definitionen, Inhalte und Abbildungen rasch zu finden. Die beigelegte Faltkarte fasst kurz und anschaulich zentrale Checklisten, Grafiken, Modelle, Pflegediagnosen und Tabellen zusammen.
Alles in allem ist es Doenges und Moorhouse auch in der siebten Auflage gelungen, allen Pflegefachpersonen, die den Pflegebedarf von Individuen und Familien systematisch einschätzen, erkennen, benennen und gezielt befriedigen möchten, eine international anerkannte, einheitliche, leicht erlernbare und anwendbare Fachsprache anzubieten.
Jürgen Georg
Jürgen Georg, MScN, ist Programmleiter der Fachbereiche Pflege und Greencare beim Hogrefe Verlag in Bern.
Kontakt: juergen.georg@hogrefe.ch
Empfehlung des Verlags
Pflegediagnosen und Pflegemaßnahmen von Marilynn E. Doenges, Mary Frances Moorhouse, Alice C. Geissler-Murrherausgegeben vonJürgen Georg, Claudia Leoni-Scheiber
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