Herr Hardung, haben Sie einen Lieblings-Vampirfilm?
Ich fand “Fünf Zimmer Küche Sarg“ von Taika Waititi sehr unterhaltsam, weil er sich selbst und das Vampir-Genre nicht ernst nimmt, aber in den richtigen Momenten doch Tiefe hat. Sonst ist “Twilight“ natürlich ein Kindheitsklassiker.
Ihre neue Serie, „Love Sucks“, haben Sie mal als das deutsche „Twilight“ bezeichnet, stimmt‘s?
Eher als Witz, weil ich die Kategorie Deutsche …-Irgendwas immer absurd finde. Aber auch bei uns gibt es den unnahbaren Vampir, der sich in eine Sterbliche verliebt. Dafür haben wir aber keine Werwölfe, sondern Vampirjäger. Plus, ein großer Unterschied, der „Love Sucks“ meiner Meinung nach moderner macht, ist, dass wir eine Frauenfigur aus dem 21. Jahrhundert erzählen und den Vampir-Status dadurch ein bisschen hinterfragen. Zelda macht Ben, den ich spiele, in der ersten Episode im Boxring komplett fertig.
Die Liebesgeschichte zwischen der Vampirjägerin Zelda und dem Vampir Ben, die kann eigentlich nicht gut gehen, oder?
Das stimmt, es sieht nicht gut aus für die beiden. Aber man muss die Serie tatsächlich bis zum Ende gucken, um zu sehen, was mit ihnen passiert.
Sind Sie denn optimistisch für die beiden?
Ja, ich bin verhalten optimistisch. (lacht)
Ben nennt sich selbst ein Monster. Ist er das Ihrer Meinung nach?
Ben hat eine Ursünde begangen, das lastet auf ihm, davon kommt er nicht weg. Das ist sein persönliches Trauma, und darüber definiert er sich, weil es den Verlauf seines Lebens und des Lebens seiner Familie über Jahrhunderte beeinflusst hat. Als normalsterblicher 26-Jähriger ist es für mich schwer vorstellbar, wie er sich fühlt, und anmaßend ihm abzusprechen, sich selbst ein Monster zu nennen. Deswegen lasse ich seine Worte so stehen.
Während Ben mit seinem Dasein hadert, scheint sein Bruder Theo das Leben als Vampir sehr zu genießen. Wenn Sie unsterblich wären, wären Sie eher Theo oder Ben?
Theos Leben scheint schon mehr Spaß zu machen. Ich wäre gern die perfekte Mischung aus Theo und Ben, der hedonistische Nachdenker. (lacht)
Wie war denn die Arbeit mit Rick Okon, der Theo spielt?
Grandios. Ich liebe diesen Typen! Es war eine Freude, mit ihm zu drehen. Und eine Ehre, ihm beim Spielen zuzugucken. Wir spielen Geschwister und es hat sich wirklich angefühlt, als wäre er mein älterer Bruder, weil er sehr viel Erfahrung hat und ich von ihm lernen konnte. Er ist aber auch jemand, mit dem man nach Drehschluss gut einen Kaffee trinken oder ins Fitnessstudio gehen kann. Ein rundum toller Kollege.
Ben heißt eigentlich Benjamin von Greifenstein – in Deutschland gibt es zwei Burgen mit diesem Namen. Burgen bzw. Schlösser sind Ihnen ja nicht fremd, immerhin haben Sie gerade wieder auf Schloss Marienburg gedreht. Wie gehen Sie denn mit dem Hype um die dort entstandene PrimeVideo-Serie „Maxton Hall“ um?
Ich bin einfach überwältigt von dem Feedback und verarbeite immer noch, was da gerade passiert. Ich bin unglaublich dankbar, weil es ein echtes Privileg ist, die Herzen von so vielen Menschen zu erreichen und Nachrichten zu lesen von Leuten, die aus jeder Ecke der Welt schreiben, dass ihnen „Maxton Hall“ zum Beispiel durch eine Trennung geholfen hat, weil sie zumindest kurz der Realität entfliehen konnten, die oft einfach zu viel sein kann.
Ich lese wirklich wahnsinnig viele der Nachrichten, die mich erreichen, und freue mich über jede einzelne. Und der persönliche Austausch ist immer dann bereichernd, wenn zwei Menschen miteinander in Resonanz gehen und es nicht zu einer bloßen Subjekt-Objekt Beziehung kommt, in der ich ein reines Fotomotiv bin. Es gibt es Momente, in denen ich merke, wie diese Art der Objektifizierung mich mental beschäftigt, wenn ich nach einem langen Tag einfach nur nach Hause will und dann merke, wie heimlich Fotos gemacht werden. Aber, und das ist mir wichtig zu sagen: Zu 99,9 Prozent sind die Interaktionen mit Menschen wahnsinnig schön.
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Und dass Sie jetzt ein Teenie-Schwarm sind, wie fühlt sich das an?
Das war nie mein Lebensziel (lacht), aber am Ende des Tages ist es eine große Wertschätzung für meine Arbeit. Natürlich mache ich diesen Job nicht, um im luftleeren Raum zu spielen, sondern um das Leben in seiner ganzen Bandbreite zu erleben. Ohne Rezipienten könnte ich nicht schauspielern, deswegen sehe ich es als Privileg, Emotionen zu transportieren und in Menschen Emotionen hervorzurufen. Welches Publikum das dann ist, ist für mich tatsächlich gar nicht so entscheidend.
Sie haben mit Ihrer Rollenauswahl bisher ein sehr gutes Händchen bewiesen. Gerade Serien wie „Club der roten Bänder“, „How To Sell Drugs Online (Fast)“ und eben „Maxton Hall“ waren große Erfolge, vielleicht reiht sich auch „Love Sucks“ ein. War das einfach Glück?
Es ist absurd, dass fast jede Serie, in der ich mitgespielt habe, so gut gelaufen ist. Ich glaube, es war wahnsinnig viel Glück dabei, aber auch Intuition. Wenn ich ein Drehbuch lese, höre ich auf mein Bauchgefühl. Löst die Rolle etwas in mir aus? Kann ich etwas spielen, das ich so noch nicht gespielt habe? Bei „Maxton Hall“ war es so, dass ich vorher gerade sehr ernste, schwere Rollen gespielt hatte und gemerkt habe, dass zu dem Zeitpunkt für mich Liebe dran war. Ich hatte das Glück, dass in dem Moment eine Serie da war, die genau das bedient.
Eines Ihrer neuen Projekte ist der Film „Into The Deep Blue“ mit India Amarteifio. Winkt die internationale Karriere?
Ich habe mich davon frei gemacht, mir irgendetwas in der Richtung zu wünschen. Als Schauspieler ist man von so vielen Zufallsfaktoren abhängig, dass ich mich gar nicht von irgendwelchen Vorstellungen festlegen lassen möchte. Aber natürlich freue ich mich total über diesen Film. Das ist einfach das beste Drehbuch, das ich seit Langem gelesen habe. Und das wäre es auch gewesen, wenn es kein internationales Projekt wäre. Am Ende geht es um die Geschichte und um die Rolle. Und die Rolle von Nick ist einfach wahnsinnig vielschichtig.
Ein bisschen Richtung Liebesgeschichte geht der Film aber auch, oder?
Ja, aber er hat eine ganz andere Tonalität als zum Beispiel „Maxton Hall“. Im Genre der Liebesgeschichten gibt es so viele Schattierungen, und „Into The Deep Blue“ hat eine ganz besondere Ernsthaftigkeit. Ich freue mich auf diese Reise – nicht zuletzt, weil das Spiel in einer anderen Sprache auch eine Befreiung ist.